Johann Strauss formte die Unterhaltungsmusik, im engsten und weitesten Sinne, komponierte aber keine einzige Symphonie. Umso beeindruckender, dass zu Lebzeiten unter seiner Feder 500 Walzer, Polkas und Quadrillen entstanden. Wie eine „dämonische Komponiermaschine“ erdachte er tags und nachts neue Musik. Einer echten Komponiermaschine wäre Strauss vielleicht nicht abgeneigt gewesen. Immerhin plädierte er als Kind der Industriellen Revolution für technischen Fortschritt. Er widmete dem Technikerball der Wiener Universität neben der Electro-magnetischen Polka, dem Motoren-Walzer und der Durchs Telephon Polca auch den Walzer Accelerationen. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine soll nun eine neue Walzersymphonie entstehen: Gemeinsam mit dem Ars Electronica Futurelab laden wir vier Nachwuchskomponist* innen ein, für diese Aufgabe mit einem KI-basierten Kompositionssystem zu kollaborieren. Dem Ergebnis steht eine Uraufführung Roland Neuwirths gegenüber. Der „Erneuerer des Wienerlieds“ entführt uns mit seiner Walzersymphonie in den Wiener Walzer-Sog.
„Der wienerische Walzer ist eine Lebenseinstellung. Gerade dann, wenn die Zeiten schlechter werden, lassen wir uns von der Musik zurück entführen, verlieren uns im Wiener Walzer-Sog, im Trancezustand der Stretta oder im maschinellen Beat groovender Dreiviertel-Loops: Today Vienna.“ (Roland Neuwirth)
KI-Forschung trifft klassische Musik
Im Auftrag von Johann Strauss 2025 Wien lotet das Ars Electronica Futurelab gemeinsam mit Studierenden von vier Musikuniversitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz aus, wie Komponist*innen und Musiker*innen das Potenzial von Künstlicher Intelligenz kreativ nutzen können. Fernab von Imitation oder Automatisierung, wofür KI im musikalischen Kontext immer öfter eingesetzt wird, erkundet das Projekt Walzersymphonie künstlerische, innovative und individuelle Wege im Umgang mit moderner KI anhand der Musik von Johann Strauss. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist das KI-basierte Kompositionssystem Ricercar, das seit 2019 vom KI-Forscher und Musiker Ali Nikrang am Ars Electronica Futurelab entwickelt wird – und speziell auf die Bedürfnisse der klassischen Komposition ausgerichtet ist. Trainiert wurde Ricercar mit tausenden Stücken aus dem musikalischen Repertoire der letzten Jahrhunderte. Zum Festjahr 2025 wurde der Pool speziell mit Musikstücken von Johann Strauss erweitert. Dieser musikalische Fundus sowie die unzähligen Variationsmöglichkeiten durch das KI-Tool eröffnen Komponist*innen die Chance, sich auf völlig neue Weise mit der Musik von Johann Strauss auseinanderzusetzen. Walzersymphonie lädt Kompositionsstudierende der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, der Universität Mozarteum Salzburg, der Zürcher Hochschule der Künste und der Hochschule für Musik und Theater München ein, Ricercar als kreatives Werkzeug für eigene Neukompositionen zu explorieren. Im Mittelpunkt steht dabei weniger das Ergebnis als vielmehr der KI-Forschung trifft klassische Musik Prozess selbst: Wie kann KI zur Inspirationsquelle für Künstler*innen werden? Wie kann die menschliche Kreativität durch KI zu neuen Formaten und Ausdrucksformen finden? Ausgehend von Workshops an den Universitäten im Sommer 2024 komponieren vier ausgewählte Studierende bis zum Frühjahr 2025 ein viersätziges Musikstück in Kollaboration mit Ricercar. Aus den Beiträgen entsteht im Finale eine Symphonie, die das Bruckner Orchester Linz im Herbst 2025 an zwei Terminen zur Aufführung bringt.
Johann Strauss
Accelerationen
Walzer, op. 234
Roland Neuwirth
Scho laa, fü‘s au!
Eine Wiener Walzersymphonie
N.N.
Eine neue Walzersymphonie